Von der Wichtigkeit des Einspielens


Zum Spielen eines Blechblasinstrumentes benötigt man Muskeln.

Diese Muskeln müssen aufgewärmt werden. Sie sind nur im "warmen" Zustand voll belastbar. Vor allem die Lippenmuskulatur ist sehr empfindlich, und sollte immer langsam erwärmt und belastet werden.


Das Aufwärmen lässt sich physiologisch folgendermaßen begründen.

Der menschliche Körper kann auf zwei Arten Energie erzeugen:


1. Aerobe Energiegewinnung: Verbrennung von Traubenzucker mit Hilfe von Sauerstoff zu Kohlenstofdioxid und Wasser. Diese Möglichkeit besteht nur bei genügender Versorgung des Blutes mit Sauerstoff.


2. Anerobe Energiegewinnung: Vergärung von Traubenzucker zum Abfallprodukt Milchsäure. Der Körper greift bei Sauerstoffmangel zu dieser Notreaktion.


Die Bedeutung für den Bläser (vor allem Blechbläser):


Wenn die Lippen ohne Aufwärmen sofort stark beansprucht werden, steht nicht gleich genügend Sauerstoff im Muskelgewebe zur Verfügung. Dies kann zu Verletzung des empfindlichen Muskelgewebes führen.

Wenn dagegen vor dem Blasen für ausreichende Durchblutung gesorgt wird (z.B. durch "Schnauben" oder leichtes Mundstückbuzzing), kann der Körper aerob Energie gewinnen, da über das But genügend Sauerstoff antransportiert wird.


"Während es Aufwärmens geschieht beim Bläser folgendes:

Die Muskeln, in diesem Fall also die Lippenmuskeln, werden mit "Treibstoff" (Sauerstoff) durch die Blutgefäße versorgt, die mit ihren feinsten Verzeigungen, den Kapillaren, die Fibrilen umspannen.

In Ruhestellung ist ein großer Teil dieser Kapillaren verschlossen. Beginnt der Muskel aber zu arbeiten, erweitern sich die Kapillaren mehr und mehr, bis schließlich das ganze Versorgungsnetz mit Blut durchströmt ist.

Erst jetzt kann der Muskel seine volle Kraft entfalten. Das Aufwärmen bewirkt zudem eine Erhöhug der Muskeltemperatur, was nicht nur die Koordination von Nerv und Muskel verbessert, sondern die Muskeln auch geschmeidiger und damit weniger anfällig für Schäden macht.

Unabhängig von der Art und Weise des Aufwärmvorgangs, der ohnehin individuell verschieden ist, muss aber in jedem Fall vor einem Konzert oder öffentlichen Auftritt das jeweils verlangte Spielneveau erreicht sein.

Der Zweck des Aufwärmens ist also, das Schadensrisiko gering zu halten und die Leistungsfähigkeit zu steigern."

(Belfrage. Bengt)



Die Sportler wissen es: Vor jeder physischen Herausforderung ist es wichtig, die betroffenen Muskeln und Artikulationen locker aufzuwärmen. Dasselbe gilt auch für die Musiker, zum Beispiel bei den Blechbläsern für die Gesichtsmaske. Es ist im Interesse eines jeden Individuums, eine angemessene, gut erdachte und persönliche Einspielstrategie zu entwickeln und diese so regelmässig wie möglich zu praktizieren.


Vor dem Einspielen

Die tägliche Kontaktaufnahme mit dem Instrument (oder Wiederaufnahme nach mehr oder weniger langer Unterbrechung) ist massgebend um das eigentliche Einspielpensum festzulegen. Es geht in der Tat hier noch nicht um sich einzuspielen, sondern um den Zustand der Lippen in diesem präzisen Moment zu testen. Sind sie bereits locker und flexibel, reagieren sie gut auf die kleinen Testversuche?


Wenn ja, kann das Einspielen effizient beginnen und ziemlich rasch abgewickelt werden. In diesem Fall kann man sogar profitieren, die Grenzen des Beherrschten zu erweitern, die Flexibilität zu verbessern und die Empfindungen zu verfeinern.


Sind die Lippen im Gegenteil versteift, müde (nach noch nicht erholter Anstrengung), muss die ganze Strategie angepasst, verlangsamt, abgekürzt werden, um nichts zu verschlimmern. Also eher eine Erholungsübung als Eispielen.


Brutales Einspielen bei müden Lippen kann verheerende Folgen haben. Wenn die Diagnose eindeutig zeigt, dass die Lippen durch unübliche Anstrengung noch verstümmelt sind, verzichtet man lieber auf das Einspielen und ruht sich aus.


Im Prinzip, wenn sich das Einspielen als delikat erweist, bauen kurze, progressive und mit Pausen getrennte Sequenzen die guten Empfindungen und den Tonus wieder auf.


Einspiel-Konzept

Massgebend beim Einspielen ist die Einstellung: Entspannt sein, geduldig, konzentriert (vor allem auf die Selbstbeobachtung). Zu vermeiden: Automatisch heruntergeleierte Routineübungen im Stile der tibetanischen Gebetsmühlen.


Der Träger - in unserm Fall die Warm-ups & Studies von James Stamp* - wenn auch systematisch verwendet muss immer in Anbetracht des physischen Zustands der Lippen dosiert werden. (Aber nicht vergessen, Regel Nr. 1 der Elite der Weltklasse-Sportler: „ohne Fleiss kein Preis!“)


Ohne Intelligent konzipiertes Einspielen fördert das musikalische und technische Vertrauen des Instrumentalisten. Es ist jener und jenem unerlässlich, der in seinen Interpretationen das Beste von sich geben will.


Jean-Pierre Mathez

* und/oder komplementär dazu das sehr effiziente «Buzzing Book» von James Thompson, oder «Mastering the Tuba» von Roger Bobo, die «6 Exercices» von Michel Becquet oder die «Warm-ups + technical routines» für Posaune von Branimir Slokar.

s Thompson, oder «Mastering the Tuba» von Roger Bobo, die «6 Exercices» von Michel Becquet oder die «Warm-ups + technical routines» für Posaune von Branimir Slokar.


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