Rainard Bunte

Das Blasen eines Blechblasinstruments ist eine körperliche Tätigkeit, die einer sportlichen Disziplin gleicht. Berufsmusiker sind Hochleistungssportler.


Zu den hohen körperlichen Anforderungen an das Instrumentalspiel kommen weitere an das Gedächtnis und Besonderheiten der musikalischen Interpretation von Musik.


Dies gilt schon für die jüngsten Musiker! Als Beispiel stelle man sich eine Trompetengruppe im Schülerorchester vor, gerne sehr junge Musiker, die ein Lied mehrstimmig aufführen.


Der Einzelne muß - vereinfacht gesagt - gelernt haben, das Folgende zu leisten:


· Exakte Körperhaltung im Sitzen oder Stehen.


· Einatmung mit dem Zwerchfell in die Lunge (der Bauch wird dick), wobei die Brust flach und die Schultern unten bleiben sollen.


· Bei entsprechenden Passagen eine Ausatmung mit Hilfe der stark zu benutzenden Bauchmuskeln, wobei ein Kehlkopfverschluß bzw. das Ansprechen der Stimmbänder sowie andere Verkrampfungen unbedingt zu vermeiden sind.


· Genaue Kontrolle der Silbenbildung durch den Zungenrücken, welcher das Tempo des Luftflusses bestimmt, und präziser Anstoß durch die Zungenspitze, eventuell bei jedem einzelnen zu erzeugenden Ton.


· Positionierung und kraftvolle Reaktion der Lippen, deren Schwingungen schließlich die Töne erzeugen, auf den zuvor erzeugten Luftstrom.


· Erzeugen der exakten Tonhöhen, Tonlautstärken, Tonlängen und Klangfarben durch die - für jeden Ton neu zu verändernden - Voraussetzungen wie oben beschrieben.


· Rhythmische, klangliche und dynamische (lautstärkeabhängige) Reaktion auf alle Mitspieler und die Wünsche des Dirigenten, der die Interpretation des Musikstückes bestimmt.


· Reaktionen auf alle zuvor genannten Bedingungen im Bereich von Millisekunden.


Beispiel: Bei Sechzehntelnoten im Tempo „Viertel 120“, einem mittelschnellen Tempo, ertönt eine Note eine zweiunddreißigstel Sekunde nach der vorigen. Dies gilt natürlich auch, wenn man mehrere Takte mit vielen Sechzehnteln „spielt“. Man stelle sich vor, der Dirigent erwartet nun eine Veränderung der Lautstärke oder eine leichte Tempoveränderung, die von allen Mitspielern möglichst gleichzeitig aufgenommen und übertragen werden soll. Dies ist beim Musizieren völlig normal und findet ständig statt. Alleine, den Dirigenten und die Noten mehr oder weniger gleichzeitig im Blick zu haben, braucht eine hohe Konzentrationsfähigkeit.


· Umschalten der Ventile für die Töne, ebenfalls Millisekunden vor der Tonerzeugung, quasi zeitversetzte koordinierte Bewegungen zur Erzeugung jedes Tones!


· Das schnelle Lesen vieler Noten. Es erfordert eine sehr hohe geistige Gewandtheit, denn während des Musizierens müssen die zur Produktion anstehenden Noten gegebenenfalls in Gruppen gelesen und erkannt werden (Harmonien, Tonleitern), damit die nötigen Bewegungen zur Erzeugung der Noten eingeleitet werden können.

Die innere Sicherheit, welche jeder Musiker braucht (das Gegenteil davon ist Lampenfieber), erwächst vor allem aus dem Wissen, gut vorbereitet zu sein.

Fehlerquellen sind: Körperliche Untrainiertheit oder geistige Überforderung. Alle am Musikmachen beteiligten Muskeln des Instrumentalisten brauchen ein regelmäßiges Training. Bei Blechbläsern sind das vor allem die Lippen, welche geschmeidig und doch kraftvoll sein müssen, um die Anforderungen zu erfüllen, welche das Tonspektrum vom feinsten Pianissimo bis zum stärksten Fortissimo und von der tiefen bis in die hohe Tonlage an sie stellen.


Auch die Atemtechnik, die Blechbläser verwenden, ist hoch spezialisiert (übrigens auch sehr gesund!) und bedarf regelmäßigen Trainings. 


Das direkte Lesen der Noten und ihre Umsetzung in Musik entspricht bei hohen Geschwindigkeiten und komplizierten Musikstücken vergleichsweise dem Erfassen eines kompletten englischsprachigen Satzes bei gleichzeitigem Aussprechen des zuvor gelesenen, ebenfalls englischen Satzes, in deutscher Sprache. Wer dies für eine Übertreibung hält, dem rate ich zum Studium einer Trompetenstimme von Richard Wagner. Er wird schnell verstehen, daß dies oft nur noch auswendig zu leisten ist! Auch einfachere Musikstücke erfordern aber schon das „Vorauslesen“!


Wenn man bedenkt, daß bei öffentlichen Auftritten immer andere Bedingungen herrschen als zu Hause, der Musiker sich also anpassen muß an Raumakustik, Temperatur, Licht, Publikumsnähe und viele andere Dinge, so wird sicher gut verständlich, daß es Sinn macht, das Instrument möglichst gut zu beherrschen.

Eben dazu muß man regelmäßig üben, was zur Folge hat, daß unser Gehirn - und zwar nur bei regelmäßigem Anreiz von mindestens täglich 20 bis 30 Minuten, die nötigen Befehle lernt und sie dann an Augen, Hände, Atmungsorgane, Zunge, Lippen etc. weitergibt, und das, wie bereits erwähnt, in Millisekunden. Dabei bilden sich im Gehirn regelmäßig neue Synapsen. Geübte Musiker denken schneller!


Vorausgesetzt, die Muskeln sind entsprechend trainiert, der Geist ist wach und gebildet, erklingt dann schöne Musik.


Musik ist eine Wissenschaft, die man studieren kann. Es ist eine laienhafte Vorstellung, man könne ein Instrument so nebenbei und doch sehr gut erlernen, welche von einzelnen, durchaus anzuerkennenden Talenten genährt wird, die aber auch nicht ohne das Üben auskommen und niemals eine professionelle Stufe des Musizierens ohne entsprechenden Unterricht erreichen können.


Welchen Anspruch man an das eigene Musizieren auch immer stellt: Man sollte zumindest die Grundvoraussetzungen erfüllen. Ohne regelmäßiges Üben ist die Gesamtheit der Leistungsfähigkeit eines Trompeters, welche man verallgemeinernd als „Ansatz“ bezeichnet, nicht zu erreichen oder zu erhalten.

© 2021 Rainard Bunte